Man kann ganz gut in einer Welt voller Geschäfte – nicht so leicht in einer solchen voller Vergnügungen – aufrichtig sagen: »Mein Herz ist stille zu Gott, der mir hilft.« Aber ebenso ist bloße Stille und Einsamkeit noch kein Schutz vor Versuchungen und keine Hilfe zur Vollkommenheit, wenn nicht ein starkes Leben in Gott damit verbunden ist.
Das Beste ist hier auf Erden die Abwechslung beider Zustände.
Daher müssen religiöse Orden irgendeine praktische Arbeit haben und haben Geschäftsleute Zeiten der Stille nötig, welche ihnen Gott, wenn er sie dessen bedürftig sieht, durch Krankheiten schickt.
Das wahre Christentum ist von allen Religionen oder Philosophien die einzige, die sowohl vor Quietismus wie vor Welttrunkenheit schützt. Wer es ganz kennt, der muss sagen, es muss vom Himmel kommen; auf Erden wuchs so etwas nicht, weder aus dem gänzlich formalistisch gewordenen Judentum noch aus der damaligen klassischen Bildung.
(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)