Schlechte Lektüre ist noch gefährlicher als schlechter Umgang. Nur ein Gebilde der Fantasie, aber kein wirklicher Mensch kann das ausschließlich Schlechte und Verkehrte in sich verkörpern und dabei noch schön erscheinen. Außerdem ist man von schlechten Menschen auf natürliche Weise getrennt und vor ihnen auf der Hut, während es beinahe unglaublich ist, was für Bücher, Feuilletons und Theaterstücke selbst in den Gesichtskreis gesitteter Frauen und Kinder gelangen. Ein Buch kann oft das Unglück (aber auch das Glück) eines ganzen Lebens herbeiführen.
(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)