19. Mai

Die »Respektabilität« ist oft ein Hindernis auf dem Weg der Verbesserung. Frau Booth1 nennt sie in einem ihrer Briefe sogar einen »Fluch der heutigen Christenheit.« Nur nichts Ungewöhnliches, Außerordentliches tun, über das geredet werden kann, mit dem man unter die Zungen der Menschen kommt. In der Tat sind das scharfe Messer, unter denen oft nicht viel von unserem ersten guten Ruf übrig bleibt. Aber dann kommt eben die Notwendigkeit, diesen Ruf größer wiederaufzubauen, und, was die Hauptsache ist: Es kommt die Hilfe Gottes dazu, bei diesem zweiten Aufbau unserer Existenz.

Mittelmäßigkeit dagegen ist – soviel kann man ohne alle Übertreibung sagen – der Lohn der Respektabilität.

GBG 282    GBG 343    GBG 1167

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)


  1. Gemeint ist vermutlich Catherine Booth geb. Mumford (1829–1890), die Ehefrau des Heilsarmeegründers William Booth.