Katharina von Genua fragt mit Recht: Die Liebe zu Gott schließt jede andere Liebe aus, und doch sollen wir den Nächsten lieben? Sie erhielt darauf die Antwort: »Wer mich liebt, liebt auch alles, was ich liebe. Du musst bereit sein, das geistliche und leibliche Wohl deines Nächsten so viel wie möglich zu befördern; die wahre Liebe liebt den Nächsten nicht in ihm selbst, sondern in Gott.«
Das gefällt auch dem Nächsten besser, denn die Liebe, mit der er um seiner selbst willen geliebt wird, erlebt mitunter eigentümliche Schwankungen und ist jedenfalls weniger konstant und sicher.
(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)