Man muss im Leben vor allem wissen, was man eigentlich erreichen will. Und wenn das endlich der Fall ist (wozu man gewöhnlich schon mehr als das halbe Leben braucht), muss man mit dem Zweck auch die Mittel wollen.
Will man zum Beispiel ein Gott ergebener und wohlgefälliger Mensch sein – das, was die Übersetzung des Wortes "Christ" ins Gemeinverständliche ist – dann muss man auch die Leiden wollen und den immerwährenden ruhigen Genuss, nach dem der ganze natürliche Sinn des Menschen strebt, beiseitelassen. Im Übermaß kommen diese Leiden nie, und wenn man mit Gott ganz im Reinen ist, kann man viel ertragen, weil eben Sorge und Verzweiflung fehlen.
Will man seine Talente vermehren und bis ins hohe Alter erhalten, dann muss man viel Gutes tun; das ist das sicherste Mittel dazu.
Recht wirken kann man nur, indem man vollkommener wird, und vollkommener werden kann man nur, indem man sich in wahrer Güte übt, nie durch bloßes Wissen oder Nachdenken.
(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)