Feindesliebe ist ein schönes Wort, mit dem die christliche Glaubenslehre großen Aufwand treibt. In der Praxis der Christenheit merkt man davon aber nicht gerade viel.
Sie findet in Wirklichkeit nur statt, wenn man durch die Verbindung mit Gott die Menschen zu fürchten verlernt hat. Dann erst sieht man auch ein, dass uns die Gegner in unserem Leben die allergrößten Dienste geleistet haben. Und es kann Stimmungen geben, in denen man alle dafür umarmen könnte, wenn sie es nicht missverstehen würden.
(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)