Das bloß »geistige« Leben, das von dem sinnlichen ganz getrennt ist, ist auf Erden eine furchtbare Sache und erzeugt in den Menschen leicht ein Gefühl der Leere, Kälte und Härte gegen andere. Dadurch entstehen die kalten geistlichen Tyrannen und die Werkzeuge der Glaubensverfolgung, die – bei aller persönlichen Unantastbarkeit – schon so viel Unheil angerichtet haben.
Ich habe zu meinem Glück stets einen Widerwillen nicht bloß gegen sie, sondern überhaupt gegen die bloß theoretischen Philosophen und Theologen gehabt, die mit Vorliebe Fragen erörtern, die dem Menschen wenig nützen und ihn weder beruhigen noch vorwärtsbringen können. Ich möchte am Ende meines Lebens meine Zeit nicht mit dem verloren haben, was den Hauptbestandteil des Lebens mancher berühmter Menschen ausgemacht hat.
(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte«, Leipzig/Frauenfeld 1908)