(Lied Nr. 688 aus: Kleines Gesangbuch der evangelischen Brüdergemeine, Gnadau 1875)
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Du selge Liebe du!
wohl heißest du verborgen:
Wer kommt in dir zur Ruh?
Wer lernet deinen Rat,
der so viel Tiefen hat?
Die Seelen nur allein,
die ohne Wahlen sein. -
Wer nichts auf Erden will,
lässt Gottes Liebe sorgen;
sein Sinn ist immer still,
sein Puls schlägt ordentlich,
sein Herz vergnüget sich;
in allerlei Gefahr
verbleibt sein Auge klar. -
Wie wollte Satanas
dies stille Wohlsein kränken?
als dass er irgendwas
im Menschen aufgeregt,
das nun zu denken pflegt:
Ach hätt ich’s so und so!
dann wär ich erst recht froh. -
Seitdem sieht’s also aus:
Der Mensch ist unzufrieden,
bald dünket ihm sein Haus
zu groß und bald zu klein;
bald will er etwas sein,
das, wenn er’s worden ist,
ihm an dem Herzen frisst. -
Als aber unser Herr
vom Himmel zu uns kommen
und, als ein Wanderer,
in armer Knechtsgestalt
die Erde durchgewallt,
hat er auch diese Schuld
gebüßet mit Geduld. -
Du treues Herze du,
wir wollen nach dir sehen!
Wir wolln in stiller Ruh
und kinderklein gesinnt,
wobei man nur gewinnt,
in Armut und mit Flehn,
dir zu Gebote stehn. -
Gott Lob, die Liebe ist
von uns nur das gewärtig,
dass man sich selbst vergisst,
sich gerne kindlich beugt
und ehrerbietig schweigt
und denkt nur in der Still:
Will’s Gott; wohlan! ich will. -
Du hochgelobtes Lamm!
wir fallen dir zu Füßen,
du Seelenbräutigam:
komm mache dieses wahr,
ja mach es offenbar,
dass der, so dir vertraut,
auf Felsengründe baut.
Text: Nicolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760)